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Schweigen ist die beste Waffe


Einfach mal nichts zu sagen klingt einfach, ist aber sehr schwierig. Wer die Kunst des Schweigens aber beherrscht, besitzt allerdings eine mächtige Waffe.

Schweigen ist die hohe Schule: Einfach mal den Mund halten und auf die Wirkung der Stille vertrauen.

 

Achtsamkeit. Souveränität. Macht. Neugier. Schweigen kann vieles bedeuten. Und oft mehr bewirken als Worte.

 

Hier mein Plädoyer für gezieltes – positives – Schweigen als Führungsinstrument. Ich fand zehn Möglichkeiten der Anwendung.

 

1. ACHTSAMES SCHWEIGEN
Aufmerksames Zuhören und Wahrnehmen des Gegenübers in einem Dialog zähle ich dazu. Ebenso die Wahrnehmung der eigenen Gedanken und Gefühle. Was kommt bei mir an? Welche Emotionen löst das Gehörte aus? Wie kann ich das so kommunizieren, dass in dem Gespräch idealer Weise ein Resonanzverhältnis besteht? Resonanz als Basis für eine enge Verbindung von Menschen und als Bedingung gelungener Zusammenarbeit.

2. MACHTVOLLES SCHWEIGEN
Es entfaltet seine volle Wirkung, wenn von anderen eine Aussage erwartet wird. Wer diese Aussage verweigert, demonstriert Macht. Ebenso wer nur kurz mit Ja oder Nein antwortet. Einfach nur nickt oder den Kopf auf die Seite legt, aus dem Fenster guckt. Er zeigt dem Gegenüber, dass er Worte nicht nötig hat. Er lässt sein Gegenüber raten, was in ihm vorgeht und löst damit Unsicherheit aus, bis hin zu Selbstzweifel. Grenzwertig.

Ebenfalls in diese Rubrik gehören: Provokationen generell überhören. Sich nie rechtfertigen. Mutmaßungen im Raum stehen lassen. Ist ein wenig wie Poker spielen.

 

3. SOUVERÄNES SCHWEIGEN
Damit meine ich vor allem die Pause an der richtigen Stelle. So wie Helmut Schmidt es getan hat. Nach wichtigen Aussagen konnte man in Gedanken zählen: ein-und-zwanzig, zwei-und-zwanzig, drei-und-zwanzig. Erst dann ging es weiter. Jeder hatte verstanden. Das war jetzt wichtig. Und: Wer auch immer so redet – und schweigt -, wird als souverän wahrgenommen.

Der Jazzmusiker Miles Davis war ein Meister der Pause. Statt so viele Noten wie möglich zu spielen, nahm er einfach die Trompete vom Mund und ließ die Musik im Hintergrund weiterlaufen. „The space between the notes is just as important as the notes.“ Noch pointierter sagt es der Komponist Claude Debussy: „Musik ist die Stille zwischen den Noten.“

Souveräne Schweiger wie Pianist Schmidt haben dieses musikalische Prinzip verstanden.

 

4. FREUNDSCHAFTLICHES SCHWEIGEN
Es ist dieses wunderbare Schweigen zwischen zwei Menschen, die sich auch ohne Worte verstehen. Eine reine Privatsache, reserviert für Freundschaft oder eine glückliche Beziehung? Ich glaube nicht. Ich habe es bei mir und anderen im Arbeitsleben öfter beobachten können. Jeder weiß, was zu tun ist. Alles ist im Flow. Wozu reden?

 

5. NEUGIERIGES SCHWEIGEN
Eine Form des Zuhörens. Wir geben anderen den Raum und die Zeit, sich zu äußern. Keine Unterbrechung. Nur Verständnisfragen. In diesem Schweigen liegen Respekt und die Absicht zu verstehen. Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag über die Kunst des Zuhörens.


6. TAKTISCHES SCHWEIGEN
Beliebt bei Journalisten oder Verhandlern. Sind in einem Interview die Antworten zu dünn, ist die Antwort auf die Antwort Schweigen. Nicht lange meist, und der Interviewte spricht weiter, weil er die Stille nicht aushält. Das gleiche in Verhandlungen: Der Verkäufer macht sein Angebot. Das Gegenüber schweigt. Das schafft Spannung. Verunsichert. Wirkt oft stärker als Worte.

 

7. STRATEGISCHES SCHWEIGEN
Apple ist ein gutes Beispiel. Es gibt ein festes Kommunikationsraster. Außerhalb passiert nichts, allenfalls in Notlagen. Diese Redezurückhaltung des Unternehmens ist strategisch, Teil der langfristigen Firmenausrichtung. Das Nicht-Kommunizieren hilft, die Ziele zu erreichen, denn wenn geredet wird, dann mit Wucht. Konzentration.

Die langen Pausen schaffen Raum für Spekulationen, Gerüchte, Neugier. Stille – Big Bang – Stille: Das ist das strategische Framework. Simpel, aber effizient.

 

8. SAMMELNDES SCHWEIGEN
Wieder ist Apple ein gutes Beispiel. Eins der großartigsten Videos mit Steve Jobs zeigt ihn 1997 auf der WWDC. Die Frage aus dem Publikum an ihn hat einen beleidigenden Ton. Man fürchtet, er explodiert. Doch was macht Jobs? Er holt sich einen Hocker und setzt sich. Er trinkt einen Schluck Wasser. Er atmet durch. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagt er: „You know, you can please some of the people some of the time …“

Und mit großer Ruhe entwickelt Jobs eine Antwort, die die Apple-Strategie erklärt. Einfach. Klar. Authentisch. Ohne jede erkennbare Wut auf den dreisten Fragesteller. Im Gegenteil: Das Schweigen, der Hocker, der Schluck Wasser – wenn man das Video schaut, spürt man, wie die Ruhepause dazu führt, dass Jobs einen der besten Stegreifvorträge über die Strategie des Unternehmens hält, die ich kenne.

 

9. SPHINXHAFTES SCHWEIGEN
Es gibt Situationen, da lässt sich mit Worten nicht mehr punkten. Etwa, weil man eine Antwort nicht kennt, den Sachverhalt nicht versteht, die Gefühlslage so ungut ist. Da ist Stille das Mittel der Wahl. Im günstigsten Fall wird dem Schweiger Tiefsinn unterstellt. „Wenn du geschwiegen hättest, hätte man dich für einen Philosophen gehalten“, sagten die alten Römer.

 

10. BESÄNFTIGENDES SCHWEIGEN
Ihr Gegenüber droht zu explodieren oder ist überhaupt nicht bei der Sache? Reden lassen. Schweigen. Aufmerksam zuhören. Blitzableiter sein für den anderen, der erst einmal seinen Unmut loswerden will. Das wirkt Wunder. Danach entspannt zur Tagesordnung übergehen.

 

PLUS: ENTGEGNUNGEN AUF SCHWEIGEN
Und wie verhält man sich, wenn das Gegenüber eine der Schweigetechniken anwendet? Ganz einfach. Die Stille aushalten, ebenfalls schweigen. Körpersprache einsetzen. Blicke, Veränderung der Sitz- oder Stehposition. Wenn der andere trotzdem nicht spricht und irgendwann die Zeit zu lang wird, einfach höflich fragen, wo sie oder er gerade steht. Das Ziel ist, gemeinsam wieder dort weiterzumachen, bevor das Schweigen aufkam.

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