Wenn ich eine Erkenntnis nennen müsste, die in meinen Augen den größten Nutzen auf dem spirituellen Weg hat, dann wäre es das Spiegelgesetz. Vielleicht braucht es sogar nicht viel mehr, um den eigenen Weg zu gehen.
Es gibt derzeit viele Versionen des Spiegelgesetzes, von denen ich nicht allen zustimmen kann. Für mich sagt es Folgendes aus:
„Alles, was in meinem Leben auftaucht, ist ein Spiegel meines Bewusstseins und zeigt mir mein eigenes Inneres.“
Das Leben hat für mich nur einen Zweck: Selbsterkenntnis. Und alle Umstände, Personen und Situation bilden eine einzige gutmütige Verschwörung, die mir alles bietet, was ich benötige, um meine Wunden zu heilen, mein Potenzial zu verwirklichen und mein wahres, ewiges Wesen zu erkennen. Der Weg durch mein Leben ist der Weg durch mein eigenes Inneres, alles, was passiert, dient meiner Evolution und alle Menschen und Geschehnisse tragen eine Botschaft für mich. Dabei geht es niemals um etwas „da draußen“, sondern immer um ein Spüren tief in mir selbst.
Das Leben ist der perfekte Lehrer
Das Leben ist der perfekte Lehrer, denn es stellt mir genau die Lektion, die gerade an der Reihe ist, in genau dem Tempo, das meine Seele vorgibt. Aber dazu muss ich mich voll auf das Leben einlassen, auf das Fühlen, das Mensch-Sein. Das Leben ist der kürzeste Weg, es gibt keine Abkürzungen, es gibt keinen Hinterausgang, aus dem man herausmeditieren könnte – der einzige Weg führt mitten hindurch. Das Leben ist genau die Erfahrung, die meine Seele zur Heilung braucht, deshalb bin ich hier. Alle Widerstände, alle Fluchttendenzen und alle Anhaftungen sind genau die Wunden, die es zu heilen gilt, um wieder ganz zu werden.
In diesem Leben erfahre ich die Auswirkungen meiner Schöpfungen als Geistwesen, erlebe ich noch einmal die Erinnerungen aus vielen Leben, die ich noch nicht gehen lassen konnte. Mitten im Alltag, zwischen Einkauf und Abwasch steckt mehr Magie, als wir uns vorstellen mögen. In so vielen kleinen Details, in all den winzigen Empfindungen verborgen, liegen Türen zu meinem Inneren.
Solange ich schlafwandele, bin ich taub gegen diese Rufe der Seele, blind gegen die Einladungen, frei zu werden. Aberder Moment, an dem das Spiegelgesetz wirklich verstanden wird, ändert die Einstellung zum Leben völlig. Statt es bloß zu ertragen, es kontrollieren oder verbessern zu wollen, beginne ich, ihm zuzuhören, zu fühlen, mit dem Leben zu arbeiten, seinen Fluss zu erkennen, die Magie zu spüren, den Sinn und die liebevolle Absicht.
Spiegelgesetz: Es geht ums Gefühl
Ich beobachte immer wieder, dass viele Menschen das Spiegelgesetz zwar kennen und auch irgendwie daran glauben – aber es nicht wirklich auf ihr Leben anwenden. Wann immer es haarig wird und die Emotionen sich machtvoll zu Wort melden, geht man leicht wieder verloren in Projektionen auf andere oder die Umstände des Lebens – und verpasst dabei die tiefere Erkenntnis. Das Spiegelgesetz geht nicht an und aus. Es gilt immer, mit absoluter Sicherheit vor Allem da, wo starke Emotionen sind.
Wissen ist nicht gleich Erkenntnis und Realisation. Vom Spiegelgesetz zu wissen, bedeutet noch nichts, es ist weniger ein Konzept, als eine Art, dem Leben zu begegnen, jeden Tag, in jeder einzelnen Minute. Etwas, zu dem man mit der Zeit wird.
Eine andere Sache, die ich beobachte, sind stark vereinfachende Vorstellungen über das Spiegelgesetz. Oft liest man so etwas wie: „Was immer du am anderen kritisierst, trägst du in deinem eigenen Inneren.“ Das zu glauben heißt in meinen Augen, das Spiegelgesetz gründlich missverstehen und auf einer mentalen Ebene stecken zu bleiben.
Die Funktion des Spiegels ist es, Situationen zu kreieren, die bestimmte Gefühle in uns aktivieren, seien es Wunden, Anhaftungen oder blinde Flecken und das Bewusstsein auf diese Verzerrungen zu lenken. Es geht um ein Bewusstmachen und Erkunden dieser Bereiche in uns. Das heißt, es geht immer um das Gefühl, das eine Situation in uns auslöst, nicht um eine mentale Analyse der äußeren Umstände. Intellektuelle Erkenntnis findet als Beiprodukt und Ergebnis der Erkundung der Gefühle statt.
Ein Beispiel, um es plastischer zu machen: Wenn ich sauer auf meinen Partner bin, weil er so unordentlich ist, heißt das nicht unbedingt, dass ich selbst eigentlich unordentlich bin und das an mir nicht leiden kann (wie manche Auslegungen des Spiegelgesetzes glauben machen wollen). Es kann vielmehr alle möglichen Dinge heißen. Die Frage lautet: Was fühle ich? Habe ich gerade Angst, die Kontrolle zu verlieren und brauche deshalb äußere Ordnung? Oder fühle ich mich ausgenutzt? Oder erlaube ich mir selbst nicht, mich gehen zu lassen und bin neidisch?
Je nachdem was ich fühle, kann mir ein und dieselbe Situation also ganz verschiedene Dinge spiegeln. Was außen passiert ist nicht so wichtig wie das, was ich dabei fühle.
Arbeiten mit dem Spiegelgesetz
Erst über das Gefühl verstehe ich also, was sich wirklich für mich in einer Situation zeigt. Und auch wenn ich sicherlich auch äußerlich irgendwie in der Situation reagieren werde und meine Gefühle an meine Mitmenschen kommuniziere, projiziere ich meine Emotionen nicht mehr, wenn ich das Spiegelgesetz wirklich verstanden habe.
Diese Botschaft ist für mich, die Frage ist nun: Was tue ich damit?
Zunächst fühle ich das Gefühl vollständig, schaue, was vielleicht noch tiefer darunter liegt. Welche Emotionen sind da? Kann ich sie vollständig erlauben und für sie da sein? Was will ich, was fehlt mir? Welche authentische Sehnsucht liegt unter aller Emotion? Und dann halte ich Ausschau nach einer höheren Wahrheit über die Situation: Wie kann sich mein wahres Wesen in dieser Situation ausdrücken? Was möchte geschehen, vom tiefsten und höchsten Punkt aus, zu dem ich Zugang habe? Gibt es eine neue Art zu sein, die sich wahrer, richtiger, heiler und stimmiger anfühlt?
Indem ich permanent mit meinem Gefühl verbunden bleibe, alle Emotionen erlaube, aber wach bleibe in ihnen und nach und nach immer mehr meines Ausdrucks aus den Klauen von Konditionierungen, Glaubensmustern und Traumata befreie, kann sich meine Seele immer unverfälschter ausdrücken – mein wahres Ich, höheres Selbst, oder wie immer man es nennen mag.
Je offener, wacher und bewusster ich lebe, desto mehr Feinheiten nehme ich war. Die Synchronizitäten, die Botschaften in kleinen Dingen, die meine Aufmerksamkeit einfängt – das Leben beginnt, zu sprechen.
Seelen-Essenzen: Auf der Suche nach uns selbst
So wie ich es sehe, ist der Sinn des Lebens die Selbsterkenntnis und Selbstbefreiung. Und das Leben hilft uns, all das wiederzufinden, was wir vielleicht auf unserem Weg durch zahllose Leben verloren haben. Was immer wir im Äußeren suchen, ersehnen oder erhoffen, dass suchen wir eigentlich ins uns selbst. Und was immer wir bewundern und beneiden, ist in Wirklichkeit eine Essenz unserer eigenen Seele, die sich noch nicht voll ausdrücken kann.
Wir laufen durch die Welt auf der Suche nach den verlorenen Puzzleteilen unseres Selbst. Ich nenne diese Puzzleteile Seelen-Essenzen, denn auch sie sind nichts Festes, sondern ein Gefühl, eine Seinsart, eine bestimmte Energie-Frequenz, die in uns vielleicht verzerrt oder verschüttet ist und darauf wartet, wieder voll durch uns erklingen zu können. Die Seele ist eine Mischung, aus ganz bestimmten Frequenzen, eine einmalige Kombination von Schwingungen, die nur durch uns zum Ausdruck kommt. Je klarer, reiner und entspannter wir werden, desto besser eigenen sich unser Körper und Geist als Instrument in der großen Symphonie des Kosmos.
In meiner Wahrheit besteht unsere Bestimmung darin, genau das auszudrücken, was wir sind – nicht darin, irgendetwas Bestimmtes zu tun. Es gibt nicht einen, sondern viele Wege, wir selbst zu sein, denn wir sind keine Persönlichkeit, sondern ein Fluss aus Frequenzen. Wir sind nicht Künstler, wir sind Kreativität, wir sind nicht Lehrer, sondern Klarheit. Es geht wieder einmal um das Gefühl, die Essenz. Ziel aller Arbeit mit dem Spiegelgesetz ist es, frei zu werden, unsere Seelenessenzen wieder voll auszudrücken.
Was wir bewundern, kann uns oft einen Hinweis geben, was wir eigentlich sind. Bewunderung ist sozusagen die Sehnsucht der Seele nach sich selbst. Nach Essenzen wohlbemerkt! Wenn wir Fallschirmspringer bewundern, sehnen wir uns nicht unbedingt nach Fallschirmspringen, sondern erinnern uns vielleicht an Mut, Freiheit und Wildheit – Essenzen, nicht Dinge oder Tätigkeiten.Die Frage ist nicht Was soll ich tun? sondern Wie bin ich wirklich?
Selbstheilung: Durch die Schichten des Fühlens
Die Arbeit mit dem Spiegelgesetz ist also vor allem ein Weg des Fühlens. Dabei geht es fast immer durch mehrere Schichten. Für mich hat sich diese Reihenfolge gezeigt:
Angst -> Wut -> Schmerz -> unerfüllte Sehnsucht -> Seelen-Essenz
Nicht immer kommen alle Schichten vor, aber dies ist trotzdem eine gute Richtschnur.
Zunächst ist da die Angst – meist die Angst, das Thema zuzulassen, den verdrängten Schmerz überhaupt wieder zu fühlen.
Dann Wut – eine natürliche Abwehrreaktion des Körper-Verstandes, die vermeintliche Quelle des Schmerzes zu beseitigen.
Dann der Schmerz selbst, in seinen verschiedenen Formen.
Darunter liegt eine Sehnsucht, die nicht erfüllt wird und uns eben deshalb Schmerzen bereitet.
Und darunter liegt die Lösung – nämlich dass diese Sehnsucht in Wahrheit eine Sehnsucht nach uns selbst ist, deren Erfüllung wir irrtümlich in der Welt gesucht haben.
Wirkliche Heilung ist für mich die Reintegration der Seelen-Essenz und identisch mit Selbstverwirklichung.
Nicht immer findet irgendein verstehen der Essenz statt, intellektuelles Verstehen ist auch nicht wichtig. Fast immer erkennt man aber die Sehnsucht. Besonders Traumata können sich jedoch einfach auflösen, nachdem sie völlig gefühlt wurden und die eingeschlossene Energie wieder frei fließen kann – ohne dass irgendeine intellektuelle Erkenntnis stattfindet. Damit das geschehen kann, berühren wir jedoch in der Heilung Essenz-Ebenen, die uns allen gemeinsam sind: Akzeptanz, Liebe, Frieden, Güte und Vergebung zum Beispiel.
Spiegelgesetz: Der organische Weg
Die Arbeit mit dem Leben und dem Spiegelgesetz empfinde ich als den natürlichen spirituellen Weg, weshalb ich diesen Weg auch den organischen Weg nenne. Das Leben ist wirklich perfekt, wir brauchen es nicht zu manipulieren und wir brauchen in meinen Augen auch keine künstlichen spirituellen Religionen oder Systeme, um frei zu werden.
Es reicht ein Blick in die Natur, um zu erkennen, dass der Fluss des Lebens intelligenter ist, als alles, was sich unser Geist ausdenken könnte. Es liegt an uns, dem Leben zu vertrauen, dass es uns unterstützt, lehrt und nährt, auch in den Zeiten, in denen es scheinbar grausam ist. Für mich gibt es nichts, dem wir mehr vertrauen könnten als dem natürlichen Fluss. Ja, manchmal fließt er wild. Ja, er spült viele Widerstände einfach fort, und es ist schmerzhaft, sich zu widersetzen. Ja, er duldet kein Festhalten am Ufer. Ja, er schüttelt uns manchmal solange durch, bis wir aufgeben und ganz weich werden in seinen wirbelnden Stromschnellen. Aber er fließt in unserer Geschwindigkeit. Und er fließt immer weiter, bis nur noch lebendige Freiheit, Hingabe und der pure Fluss des Seins übrigbleiben.
Dieser Artikel erschien zuerst als „Das Spiegelgesetz“ auf Davids Blog www.den-weg-gehen.de und erscheint hier als Nachdruck.