In der geisteswissenschaftlichen Thematik nach Rudolf Steiner wird sehr oft über die Dreigliederung gesprochen, Körper-Geist-Seele, Denken-Fühlen-Wollen, etc. Nun, was ist Dreigliederung konkret, was ist mit sozial gemeint und aus was setzt sie sich zusammen?
Mensch und Gesellschaft sind immer komplexer geworden. Die heutige Krise zeigt, daß wir dieser Realität nicht immer gewachsen sind. Sich für eine soziale Dreigliederung einzusetzen, heißt auf eine Gesellschaft hinzuarbeiten, die den Menschen vollnimmt, mit all seinen scheinbaren Widersprüchen. Dazu gehören die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Sie lassen sich nur zu leicht gegeneinander ausspielen. Bekommt aber jedes Ideal einen eigenen Bereich, wo es sich voll ausleben kann, staunt man, wie es zu einer gegenseitigen Befruchtung kommt.
Langversion vom Institut für soziale Dreigliederung
Die Kultur lebt von der Kreativität und damit von der individuellen Freiheit. Wer hier die Gruppe über den Einzelnen setzt, macht beide zu Schatten ihrer selbst. Wie bekommt jeder von uns eine Chance, kultureller Grenzgänger zu werden?
Es gibt natürlich die Möglichkeit, nach der Schule erst einmal für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Aber wieso ist es uns noch nicht gelungen, aus der Schule selber eine Weltreise zu machen? Aus lauter Staatsnähe tendieren unsere Schulen dazu, aus der jeweiligen Mehrheitskultur eine Monokultur zu machen. Ganz abgesehen von der Wirtschaft, die sich am liebsten mit einer einheitlichen Weltsprache zufrieden geben würde.
Wer sich aber immer wieder in Frage stellen will, muß sich auch im Spiegel anderer Kulturen sehen können. Vielleicht kann er dann die eine Sprache nicht mehr so perfekt beherrschen, wird aber
wenigstens nicht von ihr beherrscht.
Nicht umsonst schlägt die soziale Dreigliederung vor, die Schulen zu entstaatlichen, um sie als Bürgerinitiativen weiterzuführen. Wäre das nicht der Grundstein für eine wirkliche kulturelle Vielfalt?
Die Demokratie hat nicht umsonst die Sklaverei abgeschafft. Wer aber sein Unternehmen oder seine Aktien verkauft, verkauft Menschen. Wie lassen wir das Kapital so zirkulieren, daß noch mehr Arbeit, aber keine Menschen wegrationalisiert werden?
Verstaatlichungen lähmen die unternehmerische Initiative, Privatisierungen die soziale Verantwortung. Immer mehr sozial orientierte Unternehmer, die sich mit der sozialen Dreigliederung auseinander gesetzt haben, finden einen Ausweg aus diesem Dilemma.
Sie wollen freie Hand bei Investitionen behalten, wollen aber nicht, daß ihre Firma später in die Hände von Investoren gerät, die alles der Gewinnmaximierung opfern. Sie wollen auch nicht, daß ihre Kinder, die sich gar nicht dazu eignen, ihre Firma herunterwirtschaften. Statt, wenn sie nicht mehr weiter können, die Firma zu verkaufen oder zu vererben, bestimmen sie einen Nachfolger ihres Vertrauens und übertragen die Firma einer Stiftung.
Solche Unternehmer handeln aus sozialem Gewissen, so wie früher vereinzelt Sklavenhalter ihre Sklaven freigelassen haben. Unsere Demokratie steht aber vor der Aufgabe, die Verkäuflichkeit von Unternehmen so abzuschaffen, wie sie damals die Sklaverei abgeschafft hat. Mögen einige dabei viel zu verlieren haben. Noch mehr verlieren werden diejenigen, die meinen, gegen solche unverkäufliche Unternehmen bestehen zu können.
Ist die Globalisierung nicht eine verpaßte Chance? Wer mit dem Zufall des Marktes rechnet, verrechnet sich oder den anderen. Wie bekommen wir Preise von denen alle leben können?
Wir haben heute die paradoxale Situation, daß es trotz Überproduktion zu Hungersnöten kommt. Kleinbauern in den Entwicklungsländern können der Konkurrenz der hochsubventionierten Agrarprodukte aus Europa und Amerika nicht standhalten und landen in die Armenviertel der Großstädte. Die Abschaffung aller Subventionen und Zölle würde das Problem aber nur verlagern. Einige Entwicklungsländer, die sich darauf eingelassen haben, haben es mit ihrer Industrie bezahlt.
Besser geht es den Kleinbauern, die am Fairen Handel teilhaben können und sich nicht mehr auf ihre Regierung verlassen müssen. Man kann von einer Vertragswirtschaft sprechen, die dabei ist, die blinde Marktwirtschaft abzulösen.
Angeregt durch die soziale Dreigliederung versucht Sekem auch im eigenen Land - Ägypten - einen Absatz für den Fairen Handel zu finden. Und in Europa richtet sich die Initiative Regiofair mit
demselben Anliegen an die heimischen Bauern.
Jeder Mensch ist also zugleich eine Minderheit, ein Bürger und steht für die ganze Menschheit. Soziale Einrichtungen müssen aber einfacher gestrickt sein. Sie können jeweils nur eins davon. Menschlich wird die Gesellschaft erst durch das Zusammenwirken der sozialen Einrichtungen, wenn diese anfangen, sich wirklich zu ergänzen, ohne einander vereinnahmen zu wollen.
Wer ist aber der Garant dafür, daß die sozialen Einrichtungen mit ihrer Einseitigkeit nicht auseinanderdriften? Niemand außer der Mensch selbst. Er ist es, der die Brücken schlägt. Er ist nicht nur Bürger im Staate, sondern auch aktiv im Kulturellen und im Wirtschaftlichen. Der Mensch ist die Einheit der Gesellschaft. Und je mehr er damit zu schaffen hat, desto besser.